Bass: Mario Suzuki | Sopran: Anne Keil | Sopran: Leonie Högele | Klavier: Dulguun Chinchuluun
Eine erloschene Feuerstelle, zugige Fenster, Herbstwetter, und doch – ein warmer Raum… Wie kleine Kamine müssen die Herzen der Freunde Schuberts geglüht haben, wenn sie in der Kälte seiner Armut beisammensaßen, um seiner Musik zu lauschen.
Warum gab es Liederabende, Gedichtstunden oder Schubertiaden? Nun, wahrscheinlich aus demselben Grund, aus dem wir heute ebenfalls versuchen, Wort und Ton und Fotografie auf unterschiedlichen Wegen mit unseren Mitmenschen zu teilen. Wir sind verzweifelt, einsam und suchend – und das waren auch die Menschen zu Schuberts Zeit. Er selbst war es wohl am allermeisten.
Bis heute ist die Melancholie Schuberts Stücke erschütternd, aber auf erschreckende Weise nachempfindbar. Er destilliert die Einsamkeit zu Melodie und Harmonie und bannt sie aufs Notenpapier – so elegant, so leicht, wie wohl ein Parfümeur den Duft von Mirabellen in ein Fläschchen fängt. Und im Konzert, da atmen wir die süßen, heiligen Akkorde ein, finden Erleichterung, manchmal auch Erlösung. Wir nehmen Schuberts Sehnsucht durch die Ohren auf und lassen unsere eigene in Tränen fließen.
In diesem Sinne ist klar, warum die Schubertiade als Konzertform kein konkretes Thema, keinen Anlass braucht. Wir halten ihren roten Faden bereits in unseren Herzen – er ist die menschliche Sehnsucht. Mit jedem Seufzer der Musik, dem wir in grauen Stunden lauschen, reicht zaghaft eine Hand aus unserer Brust einen einsamen roten Faden an den nächsten Lauschenden weiter, bis alle sitzen und gefesselt sind, umstrickt vom wilden, roten Kreis des Lebens. Und es bleibt nichts anderes übrig, als zu weinen.
Die Schubertiade ist heute wie damals ein wirres, warmes Nest aus Leben und Verbindung, das Schubert’schen Melodien ein Dach über dem Kopf bietet. Eingebettet in die Wärme eines Konzertabends, können damals wie heute altbewährte und weniger bekannte seiner Stücke friedlich ihre Flügel ausbreiten. Während erstere ohne Zögern majestätisch emporschwingen, sprießen letztere zart wie Mauerveilchen in den Raum. Und in rotem, wolligem Gewand geht ein Himmel bess’rer Zeiten über den Zuhörenden auf.
In musikalischer Erinnerung an die Werke Schuberts, sowie in dichterischer Ehrfurcht vor der Innigkeit und Verwundbarkeit derer, die sich zu Schuberts Zeiten schon zum Lauschen und zum Weinen trafen, möchten wir im Heute aufs Neue einen Abend aus Musik und Text gestalten. Wir, das sind Mario aus Bremen, Anne aus Island, Leonie aus Nordschweden und Dulguun aus Hamburg. Wir haben alle drei, jeweils aus dem Nest gepflückt und fernab von unseren Muttersprachen abgeworfen, aufwühlende Jahre der Musik hinter uns. Unsere Freundschaft hat uns durch sie hindurchgetragen.
Wir wollen nun, durch diese Schubertiade, der holden Kunst in Demut danken und uns von ihr in eine bess’re Welt entrücken lassen. Wir präsentieren bekannte und weniger bekannte Stücke des Meisters und lassen zwischendurch wohl längst verklungene Gespräche in Form von Texten auferstehen. Lasst uns ganz im Sinne Schuberts Akkorde in den einsamen Zunder des Lebens schlagen, und unsere Herzen durch die Stimme entzünden!